Drei Fälle im Kirchenkreis

von Ev. Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten

 

Foto (v.l.n.r): Superintendent Steffen Riesenberg hat gemeinsam mit den Vorsitzenden aus den drei Städten sowie Gitta Werring (re.), Präventionsfachkraft des Ev. Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten, die Presse über Reaktionen und Maßnahmen zur Prävention informiert

Gladbeck. Mit Bestürzung hat Superintendent Steffen Riesenberg, der leitende Pfarrer der evangelischen Kirche in Gladbeck, Bottrop und Dorsten die Ergebnisse der ForuM-Studie zur Kenntnis genommen. In der Studie wurden erstmals das Ausmaß und die Mechanismen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche in Deutschland wissenschaftlich und unabhängig untersucht. Riesenberg sagte: „ForuM zeigt es in aller Deutlichkeit: Wir waren viel zu lange nicht ehrlich mit uns selbst.“ Die evangelische Kirche habe sich auf ihr progressives Image verlassen und nicht wahrhaben wollen, dass sie über Jahrzehnte Strukturen aufgebaut und gepflegt habe, die sexualisierte Gewalt möglich machten, Täter schützten und Aufarbeitung erschwerten. „Bei aller Bestürzung ist es gut, dass wir jetzt die Forschenden den Betroffenen jetzt wissenschaftlich Recht geben und uns den Spiegel vorhalten. Gut, dass es die Studie gibt“, so Riesenberg weiter.

Bei einem Pressegespräch stelle er gemeinsam mit den Vorsitzenden der Kirchengemeinden in Bottrop und Gladbeck und dem Vorsitzenden des Dorstener Gemeindeverbands drei Fälle aus dem Kirchenkreis vor. Frühere Mitarbeitende hatten die Fälle in den letzten Wochen in Erinnerung gerufen. In den 1970er Jahren hatte ein nebenamtlicher Kirchenmusiker Kinder missbraucht. Er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ermittlungen kündigte er sein Arbeitsverhältnis und hat nach der Entlassung aus der Haft zwar im Kirchenkreis gewohnt, aber nicht mehr im Ev. Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten oder in seinen Gemeinden gearbeitet. Der Täter ist mittlerweile gestorben. In den 2000er Jahren wurde ein Kirchenmusiker wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die Tat hatte sich während des vom Täter privat angebotenen Musikunterrichts, allerdings in gemeindlichen Räumen, ereignet. Das Arbeitsverhältnis wurde unmittelbar im Einvernehmen aufgelöst und Hausverbot ausgesprochen. Der Täter hat seitdem weder beim Ev. Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten noch in seinen Gemeinden gearbeitet. Ebenfalls in den 2000er Jahren hatte ein ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Gemeindehaus eine ehrenamtlich Mitarbeitende unsittlich an der Brust angefasst. Sowohl die Betroffene als auch der Beschuldigte waren zu diesem Zeitpunkt volljährig. Die Betroffene verzichtete auf eine Strafanzeige. Das Presbyterium sprach dem Beschuldigten unmittelbar Hausverbot aus.

Der Kirchenkreis wolle die Fälle nur in dieser grob skizzierten Form öffentlich machen, sagte Superintendent Riesenberg. Es gelte, einerseits die Retraumatisierung von Betroffenen zu vermeiden und andererseits, die Persönlichkeitsrechte der verurteilten Täter zu schützen. Er ordnet die Fälle ein: „Die Bearbeitung entspricht der jeweiligen Zeit, wird unseren heutigen Standards aber in keiner Weise gerecht. Viele Mängel in der Dokumentation, die wir in der ForuM-Studie lesen können, finden wir in den Fällen vor Ort wieder.“ Riesenberg ergänzt, man wisse nicht, ob es noch weitere Betroffene gebe, die seinerzeit von der Kirche oder in den Ermittlungsverfahren nicht gehört wurden. Ebenso wenig wisse man, ob es noch weitere Fälle sexualisierter Gewalt durch Mitarbeitende des Kirchenkreises und seiner Gemeinden gebe.

In den vergangenen Jahren seien einige Schritte gegangen worden, um die Strukturen der Kirche zu verändern und die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden zu schulen und zu sensibilisieren, erklärte Gitta Werring, die Präventionsfachkraft des Kirchenkreises. Sie erläuterte, dass alle Mitarbeitenden schon seit einigen Jahren bei Dienstantritt und dann alle fünf Jahre ein Erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen. „Wer einschlägig vorverurteilt ist, kann bei der Kirche nicht mehr mitarbeiten“, so Werring. Die Vorsitzenden aus Gladbeck, Bottrop und Dorsten berichteten vom Sachstand bei der Erstellung ihrer Schutzkonzepte. Jede kirchliche Körperschaft muss bis zum Sommer in einem Schutzkonzept konkret beschreiben, wie sie präventiv gegen sexualisierte Gewalt arbeitet und was sie im Fall des Falles konkret unternehmen will. Außerdem wegen nach und nach alle Mitarbeitenden und alle Mitglieder der Leitungsgremien geschult.

Am Abend des 26. Januar sprach Superintendent Riesenberg in der Lokalzeit Ruhr mit WDR-Moderatorin Désirée Rösch über die Fälle und die Aufarbeitung: Sendung vom 26. Januar 2024.

Betroffene können sich an die evangelische Kirche wenden. Die Mitarbeitenden in den Ansprechstellen sind besonders geschult und beraten auf Wunsch auch anonym.

  • Zentrale Anlaufstelle von Kirche und Diakonie: anlaufstelle.help oder 0800 5040112. Die kostenlose Beratung ist unabhängig, anonym und unterliegt der Schweigepflicht.
  • Ansprechstelle der Ev. Kirche von Westfalen: daniela.fricke@ekvw.de oder 0521 594-308. Die Ansprechstelle berät Betroffene auf Wunsch auch anonym.
  • Präventionsfachstelle des Ev. Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten: gitta.werring@ekvw.de oder 02041 3170-30.

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