einwort

einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop. Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem war das Wort, und das Wort war bei Gott.

Ehrensache

von Ev. Kirchengemeinde Bottrop


In Deutschland üben 23 Millionen Menschen ein Ehrenamt aus.
Sie engagieren sich freiwillig und übernehmen wichtige gesellschaftliche
Aufgaben. Auch in unserer Kirchengemeinde.

 

Heiner Brill

Heiner Brill, 81

Der gebürtige Bottroper leitete im Eigen mehrere Jugendgruppen bis zu einer Pause durch Studium und Beruf. Später stieg er ins Presbyterium ein, in dem er 20 Jahre tätig war. Zudem war er nicht nur in der Kreissynode, sondern auch in der Verbandsvertretung aktiv, einem Gremium vor der Zusammenlegung der Einzelgemeinden zur Bottroper Kirchengemeinde. 2013 begleitete er ein Kirchenasyl, aus dem der Verein „Flüchtlingshilfe Bottrop e.V.” entstand, den er bis 2022 leitete.

Seit wir den Verein gegründet haben, verbinde ich mit dem Wort „Fremde“ all jene Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, die sich hier natürlich sehr fremd fühlen und die vor allem seitens der Behörden auch wie Fremde behandelt werden. Sie brauchen Unterstützung, dafür ist der Verein gedacht.

Ich selbst habe eigentlich keine Fremde erfahren, und wenn, dann nur in Urlauben. Aber das ist natürlich etwas Schönes, und da wird man ja auch nicht als Fremder behandelt, sondern vielmehr als Konsument aufgewertet, der Geld bringt.

Die Flüchtlinge beim Verein kamen aus Syrien, Iran, Irak, Afghanistan, Tschetschenien und aus afrikanischen Staaten. Mit ihnen haben wir oft Englisch gesprochen, aber ehrlich gesagt nie deren Gefühle zur Fremde thematisiert. Es ging stattdessen immer um sehr konkrete Dinge: um Möbel, einen Kontakt zum Sozialamt oder die drohende Abschiebung.

Wenn man sich verständigen kann, gibt es keine Fremdheit. Im Gegenteil: Es war interessant, welche Traditionen diese Menschen mitbrachten. So zeigten uns die Flüchtlinge aus Eritrea, wie sie z. B. ihren Kaffee zubereiten und genießen. Das ist eine Zeremonie, die über eine Stunde dauert. Das war schon besonders.

 

Andrea Wegner

Andrea Wegner, 55

Die Bottroperin singt seit 2016 bei den weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Martin Gospel Singers. Seit 2022 ist sie ehrenamtliche Seelsorgerin und im Namen der R.O.S.E. (Regional Organisierte Seelsorge Ehrenamtlicher) mehrmals in der Woche im Bottroper Seniorenzentrum Käthe Braus tätig. Vor ihrer Erblindung hat sie Kinderturnstunden im Kindergarten gegeben und war dort auch Lesepatin.

2015 wurde ich zwei Tage vor Weihnachten wach und konnte mich nicht mehr im Spiegel sehen.

Mehrere Monate und viele medizinische Untersuchungen später stand fest, dass meine Sehnerven irreparabel entzündet und schließlich abgestorben waren. Ich sehe nur noch auf einem Auge minimal wie durch dickes Milchglas. Von jetzt auf gleich war mir meine gesamte Welt fremd.

Letztlich ist mein gesamtes Leben seit 2015 ein Weg in die Fremde. Damals haben alle geglaubt, dass ich plötzlich viel besser hören, riechen und fühlen könne. Das war aber nicht so. Erst seit etwa einem Jahr merke ich, dass sich meine Wahrnehmung wirklich verändert und ich Stimmen zum Beispiel viel besser erkennen kann.

Meine Erkrankung hat mich gelehrt, auf fremde Menschen zuzugehen und an Ampeln oder auch in Geschäften um Hilfe zu bitten. Diese ersten Schritte muss ich noch weiter lernen, weil mir das doch ziemlich schwerfällt, obwohl ich eigentlich ein geselliger Typ bin und gut und gerne mit Menschen kommuniziere.

Es war für mich eine unglaubliche Überwindung, das Blindenabzeichen und den typisch weißen Langstock zu benutzen. Das war mir wirklich fremd. Mittlerweile habe ich mich aber natürlich daran gewöhnt und bin ja auch seit Längerem im Vorstand des Bottroper Blindenvereins.

 

Masoud Tighkar

Masoud Tighkar, 46

Der Iraner und studierte Bauingenieur hat den Islam zunehmend in Frage gestellt und konvertierte später zum Christentum. Auch deshalb wanderte er mit seiner Frau und den Kindern aus. Seit er in Bottrop lebt, hilft er u.a. bei den Vorbereitungen der Gottesdienste in der Martinskirche. Darüber hinaus singt er seit 2019 in der Kantorei der Martinskirche und unterstützt mitunter als Dolmetscher in der Bottroper Kirchengemeinde.

Bei uns im Iran wird der Islam ganz selbstverständlich von Generation zu Generation weitervererbt. Ich habe mir alle Religionen genauer angesehen, um meinen Weg zu Gott auszuwählen.

Das macht im Islam kaum jemand. Und im Christentum ist es auch nicht anders. Wer überprüft seine angeborene Religion schon? Die allermeisten nehmen sie als gegeben hin und finden die anderen Religionen fremd.

Egal welche Sprache man spricht, im Islam ist die Sprache des Korans Arabisch. Obwohl meine Muttersprache Persisch ist, müssen die Gebete also auf Arabisch gesprochen werden. Ich habe mich immer gefragt, warum ich eine fremde Sprache sprechen soll, damit mich mein Gott versteht. Also habe ich ein Jahr auf Persisch gebetet, so konnte ich mich viel besser mit Gott unterhalten. Aber alle anderen um mich herum haben mir gesagt, dass es die falsche Sprache sei.

Es ist nicht immer leicht, fremd zu sein. Das gilt auch für das Erlernen einer fremden Sprache. Als ich nach Bottrop kam, habe ich wirklich noch sehr wenig Deutsch gesprochen, aber die Dame im Amt hat mir wirklich sehr nett geholfen, bei allen Behördengängen. Und der Glaube sagt doch auch, dass man mit seinem ganzen Herzen helfen soll. Egal wie fremd man ist. Das war ein guter Einstieg in diese Stadt.

 

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M. Bokelmann (Öffentlichkeitsreferent)

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