einwort

einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop. Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem war das Wort, und das Wort war bei Gott.

„Eins und eins, das macht zwei – ein Hoch auf uns!“

von Ev. Kirchengemeinde Bottrop

Wie lernen sich heute zwei Menschen kennen – und wie vor 50 Jahren? Was erhoffen
die einen vom Leben miteinander, und was hielt die anderen so lange zusammen?
Wir haben zwei Bottroper Paare getroffen. Die einen heirateten in den späten 1960ern,
die anderen schließen in diesem Jahr den Bund fürs Leben. Zwei Portraits aus
scheinbar verschiedenen Welten, in denen die Liebe zeitlos leuchtet.

Auf dem blanken Putz erscheinen Buchstaben, ganze Worte, ein Satz. Im Kerzenlicht wird daraus mehr als eine Vision, es wird der gemeinsame Plan für ein Leben miteinander. Drumherum Staub, Kälte und Dunkelheit – und die große Frage: Willst Du mich heiraten? Der Kräutertee zieht schon länger, die Kerzen leuchten das Wohnzimmer aus, auf der Couch sitzen Lisa Morawietz (31) und Philipp Lambertz (34). Hund Toto quetscht sich dazwischen, springt von der Couch, läuft durch den Raum und hüpft zurück. Es ist eine junge, helle Wohnung, irgendwo in einem alten sanierten Zechenhäuschen in Bottrop, in dem die Harmonie aus jeder Steinfuge quillt – im besten Sinne. Seit 2014 sind sie ein Paar, 2021 wird geheiratet.

An dem Tag, als sie sich das erste Mal auf ein ausgewachsenes Date trafen, sang Andreas Bourani seinen Weltmeisterhit „Auf uns“ wie für sie. Es war der 27.6.2014. Die Welt lag ihnen vielleicht nicht zu Füßen, schwebte dafür aber im 20-Meter-Durchmesser über ihren Köpfen – in dieser grandiosen Ausstellung im Gasometer „Wunder der Natur“. Dorthin ging das Noch-Nicht-Paar. „Eine Zeitlang haben wir danach immer versucht, an diesem sich jährenden Tag in die nächste Gasometerausstellung zu gehen, aber irgendwann liefen die Ausstellungen so lang, dass wir sie dann gedoppelt hätten“, erzählt Morawietz und er ergänzt, wie es überhaupt zu dem Griff nach den Sternen kam.

Kirschen-Aufhänger

„Kannst du mir nicht eine tolle Frau vorstellen?“, fragte Philipp Lambertz die Frau seines besten Freundes in diesem Fußballweltmeisterschaftsjahr. Sie konnte. Auf ihrem Smartphone zeigte sie ihm das Foto ihrer Freundin – einer gewissen Lisa Morawietz. „Ich fand sie auf Anhieb super attraktiv.“ Lisa und Philipp, die Freunde der besten Freunde. Bis heute wissen die beiden nicht, ob das baldige Treffen bei den freundschaftlichen Drahtziehern genau das war: ein inszeniertes Kennenlernen. Ist aber auch egal. Es gab dort ein gemeinsames Kirschenessen und den Startschuss für etwas Großes. „Die Kirschen waren quasi der Aufhänger, dass wir weiter kommunizierten, weil im Garten seiner Eltern wohl auch tolle Kirschen wären. Also hat mich Philipp dann über Facebook angeschrieben, und so haben wir uns auch für unseren Besuch im Gasometer verabredet.“

Harmonie trifft Action

Ob beide von Anfang an gemerkt haben, dass hier etwas Besonderes entsteht? Er: „Da muss ich erst mal nachdenken.“ Sie: „Na klar. Wir hatten von Anfang an sehr viele Gemeinsamkeiten und sind uns vom ersten Tag an auf Augenhöhe begegnet. Das hatte ich in meinen anderen Beziehungen vorher so nicht.“ In dem Gespräch zu diesem Artikel herrscht echte Harmonie zwischen den beiden. Berührungen, Blicke, Lächeln. Morawietz antwortet schnell und intuitiv, Lambertz ist nachdenklich und ruhig. Bei dem, was sie sagen, treffen sie sich in der Mitte. „In grundsätzlichen und wichtigen Dingen sind wir fast immer einer Meinung, und wenn es wirklich mal Reibereien gibt, geht es um Banalitäten“, erklärt er und Lisa lächelt. Die studierte Kulturpädagogin und der Sportwissenschaftler. Dazwischen ein Kromfohrländer-Mischling mit dem Charme des jungenhaften Brad Pit und dem Aktivitätspotenzial einer Saturn-11-Rakete. Kinder gibt es noch nicht. Außer dem Kerzenflackern herrscht Ruhe. Ihre Oma ist ein Drilling. Vielleicht sorgt die verliebte Vererbungslehre ja für XXL-Action in spe.

Der Antrag

Sie wohnen in der oberen Etage eines alten Zechenhauses, dem Haus ihrer Eltern. Jüngst haben sie das Zechenhäuschen nebenan erworben und bauen es seit Monaten um. Hier hat er ihr den Antrag gemacht. Nicht in Paris, nicht in Norwegen, zwischen blankem Mauerwerk, Mörtel, Schutt und Wiederaufbau. In einem Haus voller Geschichte entsteht mit diesem Paar eine neue. „Das war schon sehr romantisch und total süß. Ich hätte auch nicht gedacht, dass wir beide so kitschig sind“, sagt Morawietz rückblickend zu dem Antrag am Heiligen Abend 2019. Der Moment, an dem aus ihrem Freund der Zukünftige wurde. Hier bauen sie gerade ihren Traum aus Marmorstein und Eisen auf und formen zugleich einen Traum, den man kaum greifen kann. „Liebe, das ist doch auch das Zusammenspiel von Treue, Zuverlässigkeit, Anziehung und Respekt“, fasst Lambertz den Plan der gemeinsamen Jahre zusammen. Ist es.

Voller Erwartung

„Philipp gefällt an mir, dass ich organisierter und zugleich so emotional bin. Und ich dürfte vielleicht manchmal etwas entspannter sein.“ „Lisa mag meine Ehrlichkeit, ich bin total authentisch. Vielleicht auch etwas schusselig, aber ich spreche immer aus dem Herzen.“ Da sitzen die beiden und denken darüber nach, was der andere wohl über sie denken mag. Ein interessantes Spiel, in dem nachdenkliche Momente der Ruhe herrschen. Der Hund schnarcht, die Kerze flackert und dann kommen die Antworten. Manchmal scheint eine Prise Unsicherheit in den Worten zu stecken und dann sehen sie sich an und grinsen. Eine junge Liebe voller Erwartung auf das, was da kommen mag. Voller Träume. Derzeit leben rund 7,8 Milliarden Menschen auf unserer Welt. Hier und überall gibt es viel Liebe. Und jede ist voller Hoffnung. Viele Paare zerreißt der Alltag. Das gibt den Weg frei für die formale Leichtigkeit der Trennung, und doch ist keine Trennung leicht, weil jedem Trennen die Einigkeit vorausging.

Kirche voller Erinnerung

„Wir haben uns beide dafür entschieden, dass wir auch kirchlich heiraten. Weniger, weil die Kirche als große Institution existiert, sondern weil Kirche für uns das Sinnbild von Gemeinschaft ist, und ich schätze diese besondere christliche Gemeinschaft sehr“, sagt Morawietz. Der Ehemann von morgen war lange Messdiener, erinnert sich gut an den Reli-Unterricht bei Schwester Maria und weiß um die Rolle der Kirche in seiner Kindheit und Jugend. Er hat den kirchlichen Faden dann irgendwann verloren, spätestens mit der Hochzeit greift er ihn wieder auf. Während die Kerzen auf dem Adventskranz leuchten, blickt Lambertz in den Rückspiegel seiner Geschichte und erklärt: „Mit die schönsten Erinnerungen an meine Kindheit habe ich in der Weihnachtszeit gemacht. Das ist ja beinahe eine Fantasiewelt, die da erschaffen wurde und wird. Ich möchte, dass meine Kinder das auch so erleben.“ Wenn ein Virus keinen Strich durch die Rechnung macht, werden die beiden in einigen Monaten zu Mann und Frau. Der Heiratsantrag auf dem blanken Mauerwerk existiert fort. Er ruht unter dem jüngsten Trockenbau. Und manchmal erklingt aus dem Radio „Ein Hoch auf uns.“

In der deutschen Single-Hitparade schmachtet der Italiener Nini Rosso im August 1965 sein „Il silenzio“ auf der Trompete bis auf die Nummer eins der Charts. Währenddessen betritt ein junger Mann eine Apotheke im Essener Stadtteil Burgaltendorf und verliebt sich Hals über Kopf in die Praktikantin. Es hätte keine passendere Begleitmusik geben können.

Margarete und Rolf-Ulrich Escher sind 78 Jahre alt. Wer sie erlebt, stutzt bei der Zahl, weil sie einfach nicht zu dem Eindruck passt, den die beiden unisono hinterlassen. Dieses Paar wirkt so frisch, agil, neugierig und leuchtend, dass mindestens ein Jahrzehnt zu viel auf ihrer Uhr steht. Doch die Zahlen lügen nicht, genauso wenig wie der Eindruck. Stattdessen strahlen ihre Augen, als sie davon berichtet, wie es alles begann. Er blickt sie währenddessen von der Seite an und lächelt ihr leise entgegen. Wie gesagt: Es begann im August 1965. Zur Ehrenrettung des guten Geschmacks darf erwähnt werden, dass kurz vorher die Rolling Stones die Hitparade anführten und kurz danach die Beatles „Help“ veröffentlichten.

Ungeachtet der musikalischen Rahmenhandlung betrat der junge Pharmaziestudent Rolf-Ulrich Escher am 31.8.1965 die besagte Apotheke: „Ich wollte dort meinen Studienkollegen besuchen, um mit ihm am Spektroskop zu arbeiten und Natrium, Kalium, Kalzium und vieles mehr zu bestimmen. Also trat ich ein, und vor mir stand Margarete! Das war’s.“ Die junge Frau war selbst auf dem Weg zum Pharmaziestudium. Anders als heute musste man damals vor dem Studium zwei Jahre in einer Apotheke praktizieren. Nach bestandener staatlicher Vorexamensprüfung folgte dann der Weg zur Uni. „Er kam zur Tür herein und ich sagte zu ihm: ‚Was kann ich für Sie tun?’ Wir sahen uns an, er lächelte, ich wurde etwas verlegen und er sagte, er möchte seinen Freund sprechen. Als ich diesen holen wollte, hatte ich das Gefühl, mir läuft etwas über den Rücken. Das war schon ungewöhnlich.“ Rolf-Ulrich Escher bleibt, der Studienkollege gerät zum Nebenschauplatz. Stattdessen tauschen sich die beiden blitzverliebten Pharmakollegen in spe aus und spektroskopieren gemeinsam: „Er hat mir das so toll erklärt, dass wir beide den Forschungs-Nachmittag bis zum Dienstschluss miteinander verbrachten.“

Tanz mit mir in den Morgen

In der Wohnung der Eschers hängt heute eine alte Uhr. Moderne Bilder dekorieren das Wohnzimmer, zwei hohe Glasvitrinen stehen wie Zwillinge beieinander. Jeder hat seine mit seinem gefüllt: Porzellanfiguren, Glas und Bücher auf der einen Seite. Historische Apotheker-Memorabilia und Bücher auf der anderen Seite. Gleichstand. Gleichberechtigung. Gemeinsamkeit. Während die Uhr tickt, erzählen sie, wie es mit ihnen weiter ging. Als sich der erste Tag – damals in den bewegten 1960ern – also dem Ende zuneigte, planten die jungen Mitarbeiter der Apotheke, in die Disco zu fahren. Letztlich fuhren Rolf-Ulrich und Margarete allein. An diesem Mittwoch spielte in der Diskothek „David“ unter dem Technischen Haus am Essener Hbf eine Band. Also fuhren die beiden dorthin, tanzten, bis der letzte Ton verhallte und besiegelten in diesem August eine innige Freundschaft. Drei Monate nach diesem Tag machte er ihr den ersten, inoffiziellen Heiratsantrag. Mit 23 Jahren wussten sie eben, dass es passt. Der offizielle Antrag folgte passgenau nach zwei Jahren mit der Verlobung, weitere zwei Jahre später heirateten sie. „Probezeit war vier Jahre.“ Genau ein Jahr nach der Hochzeit kam das erste Kind, zwei Jahre später das zweite. Eine Bilderbuchfamilienkarriere.

Aber Dich gibt’s nur einmal für mich

Die Hochzeit fand drei Tage nach seinem Apothekerexamen statt und von da an arbeiteten die beiden gemeinsam in der Apotheke seines Vaters. Bis zu dessen Ausscheiden und dann noch einmal 28 Jahre bis 2008, als die Johannes-Apotheke in Bottrop-Boy endgültig ihre Türen schloss. „Wir waren 24 Stunden am Tag zusammen. Unten war die Apotheke, oben traf sich die ganze Familie, das war schon sehr praktisch. Wir konnten unseren Beruf ausüben und die Kinder begleiten“, erzählt Margarete Escher. Viele können sich das kaum vorstellen, rund um die Uhr mit dem Partner oder der Partnerin zusammen zu sein. Für die Eschers war es ein Segen. Und der endete nicht zwischen Cremes und Kochen, sondern ging weit darüber hinaus.

Beide verstehen und ergänzen sich: Sie kocht kreativ, er ist schnibbelnder Beikoch, gemeinsam machen sie Bergtouren (oft begleitet von Kindern und Enkelkindern), fahren Rad, wandern, besuchen Ausstellungen und Konzerte, reisen durch Europa. Und natürlich trifft sich jeder auch mal nur mit seinen Freunden, allein. Kurze Urlaube mit den Freundinnen, Motorradtouren mit den Freunden inklusive – bis zur nächsten Zeit für und mit dem Lieblingsmenschen. Und dann gibt es ja noch eine Handvoll Ehrenämter.

Eine Reise ins Glück

Rolf-Ulrich Escher stammt aus Hagen. Er ist überzeugter Christ, lebte nach dem Krieg ein paar Jahre bei den streng evangelischen Großeltern in Lüdenscheid. „Wir dürfen das gar nicht laut sagen, aber meine Frau war vorher katholisch.“ „Ja, das war meiner Familie damals gar nicht recht. Da kam quasi der evangelische Wolf und hat die Tochter gekapert.“ Die Hälfte der Familie kam nicht zur Verlobung. Und dann konvertierte Margarete zur evangelischen Kirche. Bei der Hochzeit waren alle Wogen wieder geglättet und beide Familien glücklich vereint. So kann es gehen.

Seit 1984 war Rolf-Ulrich Escher dann Presbyter in der Evangelischen Kirche in Bottrop, seine Frau wurde Elternratsvorsitzende im Kindergarten, Schulpflegschaftsvorsitzende, engagierte sich im Fachausschuss Kindergarten und Diakonie und ist bis heute in der Frauenhilfe Boy aktiv, dazwischen noch die Französischkurse an der VHS und viel Sport. „Solche Sachen habe ich gemacht, damit mir nicht langweilig wurde.“ Die Escher-Tage hatten ein paar Stunden mehr – vielleicht erklärt das, wieso sie heute jünger wirken, als sie es laut Ausweis sind.

Immer wieder geht die Sonne auf

Ob der Glaube auch eine Rolle spielte in dieser langen, guten Ehe? „Ich denke, ja. Die christlichen Grundgedanken haben uns schon sehr durch die Ehe getragen“, erzählt Margarete Escher. Bis heute beten sie mit den kleinen Enkeln zum Essen. Es ist normal im Hause Escher. Liebe und Harmonie. Und wenn sie ganz alltagsweltlich mit dem Auto zum Sport fährt, steht er auf dem Balkon und winkt ihr zu – bis gleich! Auch das ist normal. „Am schlimmsten wäre es, wenn ich mich abends mit meiner Frau gestritten hätte, am Morgen aufwachen würde und dann erkennen müsste, dass wir uns am zurückliegenden Abend nicht mehr vertragen hätten.“ „Da könnte ich gar nicht schlafen. Ich würde ihn dann in derselben Nacht noch wecken.“ Und genau in diesem Moment erklingt aus der Ferne eine leise Trompete aus „Il silenzio“ ...

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