einwort

einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop. Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem war das Wort, und das Wort war bei Gott.

Goooooal

von Ev. Kirchengemeinde Bottrop

Der Grund war nicht die Ursache, sondern der Auslöser,
schwadronierte einst Franz Beckenbauer. Es gibt genug gute
Gründe, die aus körperlicher Bewegung Gesundheit und
Wohlsein formen. Es sei denn, man überfordert seinen Körper.
So wie manch ein Leistungssportler.

Wie gern zitiert der leidenschaftliche Sportmuffel den früheren englischen Premierminister Winston Churchill mit seinem markigen Sätzchen: Sport ist Mord! Der übergewichtige Politiker wurde scheinbar auch ohne Bewegung und mit ewig dicker Zigarre 90 Jahre alt. Wenn das mal kein Grund zum Faulenzen ist! Die Enttäuschung folgt auf dem sportlichen Fuße, denn leider bezog sich Churchill mit diesem Bonmot auf Tiere, die während der Jagd getötet werden. Leider weiß das heute niemand mehr, und so hat sich der Sinnspruch vom Sinn gelöst und einer Falschaussage zur Prominenz verholfen. Zugleich wird heute niemand ernsthaft bezweifeln, dass Sport (normalerweise) gesund ist.

Vom Ausdauersport zum Hochleistungsport

Der Sportärztebund empfiehlt fünf Trainingseinheiten à 30 Minuten pro Woche. Vorzugsweise Ausdauersport, gerne auch kombiniert mit Kraftsport. Wenn man immerhin drei mal 30 Minuten schafft, ist das auch gut. „Alles, was darüber hinaus geht, ist für die Gesundheit nicht mehr förderlich. Man wird schlichtweg nicht gesünder, nur weil man über die Empfehlung hinaus trainiert“, weiß der Internist und Sportmediziner Dr. med. Stefan Middel. Seit 15 Jahren ist er im medicos.AufSchalke, dem größten ambulanten Gesundheits- und Rehazentrum Deutschlands, in der Leistungsdiagnostik und Sportmedizin aktiv. Er ist der Arzt, der Sportler:innen hilft, wenn sie ein Problem haben. Vom Amateur über den Freizeit-Leistungssportler bis zum professionellen Hochleistungssportler, von denen es laut Angabe der Initiative Profisport Deutschland rund 90.000 gibt – Profisportler:innen oder Berufssportler:innen. Menschen, die für ihren Sport Geld bekommen und davon leben. Dass ein erheblicher Teil von ihnen unterhalb des Mindestlohns liegt, ist ein ganz anderes Thema. Zu den 90.000 Berufssportler:innen gehören auch rund 1.000 professionelle Fußballer:innen. Sie trainieren tagaus, tagein, spielen in der ersten, zweiten oder dritten Bundesliga, bis sie in der Regel mit Mitte 30 ausscheiden und Platz für jüngere Spieler:innen machen. So wie Marcel Maltritz.

Dr. med. Stefan Middel – Internist und Sportmediziner

280 Bundesligaspiele später

Der ehemalige Profifußballer hat über 10 Jahre beim VfL Bochum im defensiven Mittelfeld oder als Innenverteidiger in der Abwehr gespielt, lange in der ersten Liga und mehrfach um den UEFA-Cup. Er spielte im Perspektivteam des DFB und in der deutschen U21-Fußball-Nationalmanschaft, war Profi in Magdeburg, Wolfsburg, Hamburg und schließlich in Bochum, wo er über 280 Bundesligaspiele bestritt. Ein Leben für den Fußball. Bis er 2014 seine Profikarriere beendete. Heute ist er 43, und wenn er morgens aufsteht, spürt er als Erstes seine Sprunggelenke. Boris Becker bekam nach seiner Profisport- Karriere neue Hüftgelenke und wurde mehrfach an den Sprunggelenken operiert. Er humpelt in vielfacher Hinsicht weiter durchs Leben. Bastian Schweinsteigers Krankenakte füllt sich mit einem gebrochenen Schlüsselbein, Riss des vorderen Außenbandes im rechten Sprunggelenk, der knöchernen Absprengung am Fersenbein, einer Entzündung der Patellasehne im linken Knie, einem Innenbandteilriss im rechten Knie. Die drei stehen stellvertretend für die Garde der Hochleistungsathlet:innen – gleich in welcher Disziplin sie Geld, Gold und Grandezza einfuhren. Jedoch: Gesundheit erwarben sie ganz offensichtlich nicht.

Fußball schmerzt, Padel macht Spaß

„Ich habe fast 20 Jahre lang unter Profibedingungen trainiert, mit teilweise zwei Einheiten am Tag. Das war wirklich intensiv. Streng genommen habe ich ganz schön Schindluder mit meinem Körper getrieben. Für so viel Trainingseinheiten ist der Körper einfach nicht ausgelegt“, sagt Maltritz heute. Er wirkt zufrieden, bewegt sich leicht. Der knapp 1,90 m große Sportler ist auch acht Jahre nach dem Ende seiner Profikarriere schlank, muskulös, agil. Und anders als viele Kollegen, die körperlich gar nicht mehr in der Lage sind, die einst notwendigen Kalorienberge wegzutrainieren, steht er bis heute auf dem Platz. Allerdings nicht auf dem Bolzplatz, sondern auf einem seiner vier neu errichteten Padel-Courts. Padel, das klingt nach Wasser und Paddeln, ist allerdings eine Trendsportart, die Tennis und Squash vereint. In Schweden gibt es bereits über 3.600 Padel-Plätze, in Deutschland sind es gerade einmal 150. Tendenz steigend. Padel wird immer im Doppel auf einem etwa 2,5-mal kleineren Tennisfeld mit einem kurzen Schläger und einem weicheren Tennisball gespielt. Es macht Spaß, ist schweißtreibend und schnell zu lernen. Trendsport eben. „Wenn ich heute mal Fußball spiele, tut es bereits beim Spielen weh, weil die Knochen nicht mehr alles mitmachen, oder es schmerzt nach dem Spiel.“

Marcel Maltritz – ehemaliger Profifußballer

Knie, Hüfte, Schulter

Der Schweizer Arzt Theophrastus Bombast von Hohenheim alias Paracelsus prägte den Spruch: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Daraus wurde verkürzt der hinlängliche bekannte Merksatz: Die Dosis macht das Gift. Und Spitzensportler:innen überdosieren nahezu permanent. Sportrekorde gehen nun einmal über Grenzen. Es sind also Sonderleistungen, die nur im Extrem funktionieren: extreme körperliche Belastung, extreme psychische Belastung. Damit das funktioniert, ist neben Talent ein erheblicher Ehrgeiz, fokussiertes Training und auch eine entsprechend moderne Medizin nötig. „In den zurückliegenden 20 Jahren hat sich auch die Gelenkchirurgie extrem verfeinert. Früher hat ein Chirurg oder ein Orthopäde alle Gelenke gemacht. Heute gibt es Spezialisten jeweils für das Knie, die Hüfte, die Schulter“, erklärt der Sportmediziner. Und auch in der Trainingssteuerung ist viel passiert. Hier ist die Zusammenarbeit zwischen Sportmedizinern:innen und Sportwissenschaftlern:innen und Trainern:innen ganz wichtig.

Sportlerglück

Marcel Maltritz ist vergleichsweise gut durch seine Profikarriere gekommen. Ein Bänderriss, die ausgekugelte Schulter und Ellenbogen, aber auch ein Wadenbeinbruch mit Syndesmosebandriss. Letzterer hätte ihn fast die Karriere gekostet – er hatte Glück. Ansonsten zwickt ihn heute nur noch der beschleunigte Verschleiß der Sprunggelenke. Keine Frage: Fußball ist ein Mannschaftssport mit hohen taktischen Finessen, aber auch brisanten Zweikämpfen. Wer einmal bei einem solchen Duell verletzt wurde, speichert die entscheidenden Sekunden ab. Und plötzlich spielt die Psyche mehr mit, als es dem Spieler lieb ist. „Nach solchen Szenen kann es möglicherweise nie mehr so sein wie vorher, also vom Kopf her. Man nimmt dann vielleicht in der entscheidenden Situation eine Schonhaltung ein und hat sogar Angst.“ Wenn man trotz Training, Instinkt und Talent plötzlich ins Denken kommt, wird es schwierig. Die Sportpsychologie spricht hier von einer Blockade. Es folgen Stress, Selbstzweifel und Trauer und der lange Weg der Gedanken zurück zur inneren Harmonie durch ein mentales Training. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Mit Prophylaxe in die Moderne

Es ist unstrittig, dass Leistungssport körperlich schaden kann. Die horrenden Verdienstchancen in vereinzelten Sportgenres können aus diesem Blickwinkel durchaus als Schmerzensgeld angesehen werden. Immerhin versucht die Sportindustrie, dem entgegenzuwirken. In jedem Fußballverein gibt es Mannschaftsärzt:innen, Athletik- und Mentaltrainer:innen, Sportpsycholog:innen und -mediziner:innen. Sie alle kümmern sich um die Sportler:innen von morgen und heute. Und es gibt nicht erst seit dem Herzstillstand des dänischen Fußballers Christian Eriksen bei der EM 2021 regelmäßige Herzuntersuchungen bei dem Spieler:innen. „Heute machen wir häufig ein sogenanntes Pre-Injury-Testing zu Beginn einer Saison, um mögliche Defizite im sportlichen Bewegungsmuster frühzeitig zu erkennen und gezielt dagegen zu steuern. Das ist bereits eine ganz besonders wirkungsvolle Möglichkeit, um Verletzungen im Hochleistungssport zu vermeiden“, erklärt der Sportmediziner Middel. Die Prophylaxe ist auch ganz oben im Sport angekommen. Gut so.

Time is money

Und die Spieler:innen behandeln heute ihren Körper auch selbst-bewusster. Ihnen ist schon klar, dass sie schonend mit sich umgehen müssen, weil dieser Körper nun mal ihr Kapital ist. Und sie wissen ganz genau, dass nur ein gesunder Spieler/ eine gesunde Spielerin die volle Leistung bringen kann. Das zielt auf die aktive Zeit und gleichsam auf die Epoche danach. Das war früher wohl etwas anders: Da war die Zeit nach der Karriere offenbar kein Thema im Kader, im Verein, unter den Spielern:innen. Es galt das Jetzt. Schließlich gab und gibt es pro Spieler:inneneinsatz eine Prämie. Wer aussetzt, geht leer aus. Das motiviert, den Genesungsprozess nach einer Verletzung/Erkrankung selbstbestimmt für das nächste Training zu verkürzen. Time is money. „Trotzdem war es für mich immer so, dass ich mich auf jedes Training gefreut habe. Ich hatte immer Spaß am Fußball und das war über die ganze Karriere so. Fußball war nun mal mein Hobby, das ich zum Beruf gemacht habe. Das blieb bis zum Schluss so.“

„Wenn man trotz Training, Instinkt und
Talent plötzlich ins Denken kommt,
wird es also schwierig.“

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