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einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop. Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem war das Wort, und das Wort war bei Gott.

Macht Wohlstand gesund?

von Ev. Kirchengemeinde Bottrop

Hatte im Jahr 2020 ein Einpersonenhaushalt weniger als 1.126 Euro zur Verfügung, gilt er nach dem von der EU gesetzten Standard als arm. Leben mehr Personen in einer Wohnung, richten sich alle Zahlungen an dieser Summe aus. Ein Medizinstudent, der im Monat 1.000 Euro zur Verfügung hat, ist arm. Ein kranker Langzeitarbeitsloser auch. Aber werden die beide von ihrer Armut krank? Und steigt die Gesundheit umgekehrt an, wenn man diese scheinbar magische Geld-Grenze überschreitet? Wohl kaum, wie Zivilisationskrankheiten wie Karies, Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und viele mehr zeigen.

Viel, fett, süß

Schlechte Zähne können vererbt werden. Ärgerlich. Aber gute Zahnpflege braucht – neben der Ernährung selbst – einen Zeitaufwand, den man eigenständig und ohne Zwang von außen einhalten muss. Heute sind rund 80 Prozent der 12-Jährigen in Deutschland frei von Karies. Bei den zwischen 35- und 44-Jährigen sind es nur noch 2,5 Prozent. Zucker, Weißmehl, säurehaltige Nahrung, tägliche Pflege, Vererbung. Karies müsste nicht sein, ist aber leider normal. Anderes Beispiel: Mehr als sieben Millionen Menschen sind in Deutschland zuckerkrank (Diabetes mellitus). Dazu kommen noch einmal zwei Millionen Menschen, bei denen die Krankheit bisher noch nicht diagnostiziert wurde. Deutschland gehört damit weltweit zu den zehn Ländern mit der höchsten Anzahl von Diabetes-Kranken. Die Diabetes-Erkrankung Typ 2 wird dabei vor allem durch mangelnde Bewegung und eine sogenannte Überernährung ausgelöst. Dieser Artikel kann kein medizinisches Gesamtprogramm der gesundheitlichen Fehlverhalten sein, schließlich kann jede genannte Krankheit viele Ursachen haben. Aber die Tendenzen sind unumstößlich. Wir essen zu viel, zu fett und zu süß und wir bewegen uns zu wenig.

Der Urmensch in uns

4 Millionen Jahre alte Australopithecinen-Funde zeigen die ersten sogenannten Menschenähnlichen (Hominiden). Sie liefen förmlich um ihr Leben und töteten dabei andere Tiere. Auf dem Speiseplan standen also Früchte, Wurzeln, Insekten und eben viel Fleisch. Der Frühmensch musste dazu weite Strecken zurücklegen und schwere körperliche Hürden nehmen, um seine Art zu erhalten. Über hunderttausende Jahre hinweg drang diese überlebenswichtige Verhaltensweise tief ins Erbgut ein und befindet sich dort bis heute. Dazu kommt, dass bis weit in das 20. Jahrhundert hinein die körperliche Aktivität ein wesentlicher Teil des individuellen Tagewerks war. Erst in den zurückliegenden Jahrzehnten änderten sich vor allem in den Industrieländern diese Vorgaben. Das Leben kann heute oftmals auch ohne große Anstrengung gemeistert werden, trotzdem müssen unsere rund 650 Muskeln nun mal ein Wesen bewegen, das rostet, wenn es rastet. Auch weil es im Erbgut so steht. Der eine geht dazu 10.000 Schritte, der andere joggt, schwimmt oder besucht ein Fitness-Studio. Und viele machen gar nichts.

 

Es ist aber auch zu einfach, dem allseits bekannten Satz „Armut macht krank“ zu folgen.
Er ist so derart platt, dass man ihm eigentlich mit Kopfschütteln begegnen müsste.
Eigentlich. Aber eins nach dem anderen.

 

Wer hat das gesündeste Herz?

Und dennoch ist Bewegung nicht das Allheilmittel auf dem Weg zur Gesundheit. Und damit sind wir doch wieder beim Geld. Menschen mit geringem Einkommen und niedrigem sozialen Status bekommen bis zu dreimal häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Sie haben häufig Magengeschwüre, Lungenentzündungen und die bereits angesprochene Diabetes. Dazu kommen überdurchschnittlich häufig Depressionen und Angstzustände. Und die Suizidrate ist unter Arbeitslosen ebenfalls deutlich höher als bei Berufstätigen. Also entscheiden doch die finanziellen Möglichkeiten über den Gesundheitszustand? US-Forscher haben vor einigen Jahren die Herzen bolivianischer Amazonas-Ureinwohner untersucht und stellten Erstaunliches fest: Rein ökonomisch sind diese Einwohner arm, aber sie haben die gesündesten Herzen aller weltweit jemals untersuchten Menschen.

 

Wissen alleine nützt nichts

Wirtschaftliche Armut muss nicht mit Krankheit einhergehen. Also sind es womöglich ganz andere Facetten, die hier zusammenwirken? Das Stichwort lautet Selbstbestimmung. Der größte Teil der Bevölkerung kennt die gesundheitlichen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums, von Fehl- und Überernährung, Bewegungsmangel, chronischem Stress, Rauchen und vielem mehr. Es gibt also ein kollektives Gesundheitsbewusstsein, bei dem alle wissen, was sie tun müssen, um gesund zu bleiben oder zu werden. Aber nur ein Bruchteil folgt diesem Wissen. 59 % aller Männer sind übergewichtig, 34 % der Frauen auch. Und am Ende des Berufslebens sind sogar 75 % aller Männer zu schwer. Völlig unabhängig von Wohlstand, Beruf und sozialer Zugehörigkeit.

Wider die Vernunft

Zugleich hat sich das Bewusstsein für Ernährung, Nahrungsmittelherkunft und körperliche Fitness durchaus verändert. 10 % der Bundesbürger:innen ernähren sich mittlerweile vegetarisch, 2 % vegan. Der Trend der fleischlosen Ernährungsformen tendiert deutlich nach oben. Es gibt mehr Bioläden denn je, und wer es sich leisten kann, kauft frisch auf dem Markt oder sogar beim Bio-Bauern. Tja, wer es sich leisten kann – und will. Viele Bürger:innen sind zwar in der Lage, aber nicht willens, das Thema Gesundheit derart zu fokussieren, dass damit eine Kaufverhaltensänderung einhergeht. Hier eine Pommes extra, da Chips beim Fernsehen, ein Gläschen Cola, und weil nun so viel Salz auf der Zunge lauert, noch eine halbe Schokolade. Nein, das ist nicht gesund, aber so what! Man es merkt es ja nicht sofort. Der Prozess der körperlichen Verschlechterung ist zumeist schleichend.

Lust auf Veränderung

Also ist es am Ende einzig unser Wille, der uns lenkt? Natürlich. Wir sind so herrlich selbstbestimmt, dass wir es uns auch nicht nehmen lassen, uns ungesund zu ernähren und anschließend faul auf der Haut zu liegen. Ob arm oder reich, spielt keine Rolle. Der Weg zum gesünderen Leben heißt Reflexion und damit die Bereitschaft zur Veränderung. Und das ist nichts anderes als geistige Bewegung. Wer sich mental bewegen will und kann, hat alle Chancen, seine Gesundheit in die Hand zu nehmen und zu dirigieren. Und das lohnt sich. Sogenannte unterprivilegierte Männer sterben im Schnitt elf Jahre früher als ihre besser gestellten Geschlechtsgenossen. Bei Frauen beträgt der Unterschied acht Jahre. Dass die Psyche als kaum durchdringbares Geflecht aus Wissen, Fühlen und freier Ideen-Kombination hier maßgeblich steuert, ist klar. Und hier sind gut betuchte Menschen sehr wohl privilegiert, weil sie die Muße haben (können), sich mit solchen Ich-Fragen zu beschäftigen, während die Armut tagtäglich das Leben existenziell bedrängt. Insofern macht nicht Wohlstand, sondern vor allem ein bewusstes Leben gesund. Solange die Gesundheit mitspielt.

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