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einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop. Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem war das Wort, und das Wort war bei Gott.

Zeitlose Freu(n)de

von Ev. Kirchengemeinde Bottrop

Von irgendwo zieht frischer Paprikageruch durch den Eingangsbereich, es läuft leise Musik. Helle, freundliche Räume, in denen mich der Wohngruppenkoordinator der einzigen Bottroper Demenz-WG Michael Henricy begrüßt. „Wir versorgen zweimal 12 Menschen mit der Grundvoraussetzung einer demenziellen Veränderung und einer Pflegebedürftigkeit. Das muss vorliegen, um hier Teil der Familie zu werden.“ 2016 wurde die Einrichtung erbaut, 2017 eröffnet. Auf einem Sofa sitzt eine alte Frau und schläft, mehrere Damen begrüßen mich freundlich. Ein einzelner Mann geht tonlos mit seinem Gehwagen an mir vorbei. Die Küchenhilfe steht derweil am Herd in der offenen Küche und bereitet Paprika zu. Es riecht köstlich. Der Hinweis Henricys, dass die Mieter hier Teil einer Familie seien, fühlt sich richtig an. Überhaupt sind es hier keine Bewohner oder Gäste – wer hier wohnt, ist Teil einer echten WG, zahlt seine Miete, kann sich in sein Appartement zurückziehen, kann sich aber auch genauso gut in den Gemeinschaftsräumen aufhalten. Es ist ein bisschen wie in einer Studenten- WG. Wenn man den Klischees folgen will. Nur deutlich sauberer, dafür sind die Bewohner deutlich älter.

Michael Henricy ist gelernter Altenpfleger, Fachwirt für Gesundheit und Soziales und schließlich Pflegedienstleiter. Hier kümmert er sich um die Einsatzpläne der Mitarbeiter, berät Interessenten, hilft beim Einzug und ist überhaupt für das gesamte Rahmenprogramm verantwortlich. Er ist quasi der Manager der WG. Dass er parallel dazu auch noch die Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtung im Diakonie-Zentrum auf der Otto-Joschko-Straße leitet, ist keineswegs nebensächlich. Der Mann zerreißt sich mit Leidenschaft. Und demnächst soll eine weitere Demenz WG in Gladbeck entstehen.

„Lebensräume im Quartier“, so der offizielle Name der Demenz-WG. Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Fürs Altenheim zu jung und körperlich zu fit, stellt diese Einrichtung eine echte Alternative zur klassischen Vollzeitpflege dar. Und tatsächlich wirken die Mieter vielleicht alt, aber keineswegs gebrechlich. Sie strahlen, blicken aufgeschlossen, beinahe fröhlich. So wie Marlies Quaschny, die seit der Eröffnung der Demenz-WG hier lebt. Die 74-Jährige begrüßt mich ganz selbstverständlich mit einem verschmitzten wie sympathischen Lächeln. Fesch gekleidet ist sie, mit einem lockeren Spruch auf den Lippen. „Die sind alle sehr nett hier zu mir. Es ist einfach schön, und die Leute freuen sich, wenn andere kommen.“ Sie grinst mich an. Ich frage sie, ob sie Kinder hat, sie zögert. Henricy springt ein: „Ihre Tochter kommt sie ja immer besuchen.“ Quaschny springt wieder auf und ergänzt, dass sie aus Bochum komme, dennoch stockt das Gespräch, kaum, dass es begonnen hat. Sie spricht in kompletten Sätzen, aber kann dem eigenen Gedanken kaum folgen.

Henricy erklärt später, dass sie bereits eine vergleichsweise fortgeschrittene Demenz vorweist. An ihrer Fröhlichkeit ändert das überhaupt nichts. So viel Lebensfreude ist durchaus ansteckend. Rund 1,7 Millionen Menschen sollen derzeit in Deutschland an Demenz erkrankt sein. Schätzungen gehen von einer Verdoppelung der Zahlen bis zum Jahr 2050 aus. Umso wichtiger, dass es zentrale Anlaufstellen wie die Lebensräume im Quartier gibt, eine Einrichtung des Diakonischen Werks Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Hier steht jedem Mieter ein Appartement inkl. Nasszelle zur Verfügung, das er zumindest teilweise nach eigenem Ermessen einrichten kann. Auch Marlies Quaschny hat ihre eigenen Möbel, an der Wand hängen viele Bilder der Tochter mit ihrem Mann und den beiden Enkelkindern. Und damit die WG in jeder Hinsicht gepflegt ist, gibt es nach Paragraf 53c SGB Ⅺ Betreuungskräfte, Pflegehilfskräfte mit Zusatzqualifikation, Reinigungskräfte und Küchenkräfte, die gemeinsam ihren Dienst auf eine 24-Stunden-Betreuung verteilen. Zudem unterstützen die Pflegekräfte der Diakoniestation individuell bei der Behandlungs- und Körperpflege. So bildet sich ein allumfassender Rahmen für die Mieter, die hier oftmals zu echten Freunden werden. Das gemeinsame Essen, gemeinsame Spaziergänge, Spielen, Lachen, Leben. Alles wie in einer echten Familie. Oder eben einer waschechten WG. Bloß mit dem Unterschied, das das Vergessen hier ein zentrales Thema ist, das dem Spaß am Leben ganz offensichtlich keinen Abbruch tut.

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