7. Februar 2022

von Ev. Kirchengemeinde Verband Dorsten

Am 7. Februar ist Rabbiner Dr. h. c. Henry G. Brandt, von 1994 bis 2004 Landesrabbiner von Westfalen-Lippe mit Sitz in Dortmund, im Alter von 94 Jahren verstorben. In einem Brief an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe drückte Präses Annette Kurschus im Namen der Evangelischen Kirche von Westfalen ihr Mitgefühl aus und würdigte Brandt als „prägende Gestalt des christlich-jüdischen Dialogs in Westfalen und in Deutschland“.

Rabbiner Brandt wurde 1927 als Heinz Georg Brandt in München geboren. Mit seiner Familie gelang ihm 1938 die Flucht nach Großbritannien. Nach einigen Jahren in Palästina studierte er zunächst Wirtschaftswissenschaften und arbeitete in der Automobilindustrie in London. Ab 1957 studierte er dann am Leo Baeck College in London und wurde 1961 zum Rabbiner ordiniert. Die ersten Stationen seines Wirkens als Rabbiner waren Leeds, Genf und Zürich, bevor er 1983 nach Deutschland zurückkehrte und Landesrabbiner der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen wurde. Nach weiteren neun Jahren als Landesrabbiner in Westfalen-Lippe übernahm er das Rabbineramt in der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg und betreute als Amtsrabbiner zudem die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld. Im Jahr 2004 wurde Brandt zum Vorsitzenden der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) gewählt; er übte dieses Amt bis 2019 aus. Zudem war Brandt von 1985 bis 2016 jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

Henry Brandt hatte in seiner aktiven Zeit als Landesrabbiner von Westfalen-Lippe großen Einfluss nicht nur auf die jüdischen Gemeinden und deren Mitglieder, sondern auch auf unzählige Christinnen und Christen. In ihrem Kondolenzbrief erinnerte Annette Kurschus an sein aktives Mitwirken bei den Beratungen zu einer Neubestimmung des christlich-jüdischen Verhältnisses innerhalb der Evangelischen Kirche von Westfalen und bezeichnete ihn als „eine konstruktive und kritische Stimme bei der Neuorientierung im Blick auf unsere jüdischen Wurzeln“. Die Auseinandersetzung mit der Hauptvorlage „Gott hat sein Volk nicht verstoßen“, an deren Entstehung Rabbiner Brandt maßgeblich beteiligt war, führte 2005 zur Neufassung des ersten Artikels der westfälischen Kirchenordnung. Darin bekennt sich die Evangelische Kirche von Westfalen zu dem „dreieinigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, der Israel zu seinem Volk erwählt hat und ihm die Treue hält, der in dem Juden Jesus, dem gekreuzigten und auferstandenen Christus, Menschen zu sich ruft und durch den Heiligen Geist Kirche und Israel gemeinsam zu seinen Zeugen und zu Erben seiner Verheißung macht“.

Durch seine mehr als dreißigjährige Tätigkeit als jüdischer Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit (1985–2016) hat er die Entwicklung der westfälischen Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit begleitet und gefördert. Zugleich hat er sich intensiv für den interreligiösen Dialog mit Musliminnen und Muslimen eingesetzt. Auch nach seinem Weggang aus Dortmund hielt er den Kontakt zur Landeskirche, war als Rabbiner in Bielefeld tätig und referierte regelmäßig in den jüdischen Gemeinden Westfalens sowie in jüdisch-christlichen Veranstaltungen.

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