2. Sonntag nach dem Christfest

 

"Und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."

 

Liebe Gemeinde, zum Sonntag steht der Psalm 100 in der Mitte allen Betens:

Psalm 100

Jauchzet dem Herrn, alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Erkennet, dass der Herr Gott ist! Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben; danket ihm, lobet seinen Namen! Denn der Herr ist freundlich, und seine Gnade währet ewig und seine Wahrheit für und für.

Amen.

 

Der Predigttext ist die einzige Geschichte aus der Kindheit Jesu, die uns in der Bibel überliefert ist - außer den Geschichten, die unmittelbar mit der Geburt Jesu zu tun haben.

Lukas 2,41-52

„Und Jesu Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest. Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes. Und als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem, und seine Eltern wußten's nicht. Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn. Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wißt ihr nicht, daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist? Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte. Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan. Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen. Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.“

Amen.

 

Der Alptraum aller Eltern - das Kind ist verschwunden. Auch wenn das Kind im Alter von 12 Jahren nicht mehr ganz so klein ist, auch wenn die Familie zusammen mit den anderen aus ihrem Dorf Nazareth unterwegs ist, trotzdem ist die Sorge groß. Wo mag der Junge sein? Unterwegs bei der Rückreise vom Tempelbesuch zum Passahfest hatte man sein Fehlen bemerkt. Man hoffte, dass er sich einer anderen Familie angeschlossen hatte. Abends stellte sich heraus, dass er wohl in Jerusalem zurückgeblieben war.

In dieser Szene aus dem Lukas-Evangelium sehen wir Jesus eingebettet in eine ganz normale jüdische Familie, eine fromme Familie, die ihren Sohn in der jüdischen Tradition erzog und ihn so im Glauben an Gott, den Einen beheimatete. Unser Predigttext ist also eine Familiengeschichte mit Gott sei Dank gutem Ausgang.

 

 

Mich spricht besonders der Vers 49 an: "Wißt ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?" oder nach der Übersetzung der Guten Nachricht:

"Habt ihr nicht gewußt, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?"

Das macht Jesus aus, dass er nicht nur Sohn des Josefs und der Maria ist, sondern Sohn Gottes. Das macht Jesus aus, dass er beheimatet ist bei seinem himmlischen Vater.

Und das hat auch Bedeutung für uns. Jesus wurde Mensch, damit er uns den Weg öffnet zu Gott hin. Er wurde unser Bruder, damit auch wir uns beheimaten können im Haus des himmlischen Vaters. Im Johannes-Evangelium sagt der erwachsene Jesus: "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen und ich gehe hin, dort einen Platz für euch bereit zu machen." Und in der Lesung hörten wir aus dem 1. Johannesbrief (1.Johannes 5,9-13), dass Jesus der Weg zu Gott ist, der "Türöffner" gleichsam, durch den wir Zugang haben zum Leben aus Gott und in Gott: "Gott hat uns das ewige Leben gegeben, und wir haben dieses Leben durch seinen Sohn!" Ewiges Leben - das bedeutet, verwurzelt sein, beheimatet sein in Gott, heute und für alle Zeit, über den Tod hinaus. Das eröffnet uns Jesus durch sein Leben, durch seinen Tod und durch seine Auferstehung.

Was bedeutet das für uns an diesem Sonntag, zu Beginn dieses neuen Jahres?

Es bedeutet, dass wir einen festen Halt finden können, von dem aus wir das Auf und Ab unseres Lebens, die Neuanfänge, aber auch manche Abbrüche, manches Scheitern bewältigen können.

Es bedeutet, dass wir nicht nur auf uns selbst gestellt sind, sondern uns hilfesuchend an unseren Vater im Himmel wenden können: Er hört uns, wenn wir ihn in Jesu Namen anrufen. Er gibt uns Wegweisung in seinem Wort, in den vielen Geschichten vom Leben mit ihm, die wir in diesen Buchseiten entdecken.

Es bedeutet, dass es nicht immer nur so weiter gehen muss im alten Trott, von Tag zu Tag, von einem Jahr zum andern, sondern dass wir neu anfangen können und dass wir wachsen können, uns entwickeln, auch dann, wenn wir biologisch längst ausgewachsen sind oder wenn unsere körperlichen Kräfte gar abnehmen.

Maria ist mir hier ein Vorbild. Sie zeigt, wie dieses innere Wachstum, das geistliche Wachstum möglich ist: "Seine Mutter bewahrte das alles in ihrem Herzen!" so heißt es von ihr in unserem Predigttext wie auch schon in der Weihnachtsgeschichte. "Das alles", das meint, das Erstaunen über diesen Sohn, der ihr nah und fremd zugleich ist, seine Worte, dass er nicht nur zu ihr, sondern auch zu Gott gehört, die Begegnungen bei seiner Geburt, die Worte der Hirten und der Weisen, all das hielt sie fest, all das nahm sie sich zu Herzen, damit lebte sie Tag für Tag.

Viele Aspekte aus der Bibel verstehe ich nicht sofort, aber ich kann sie bewegen, in mein Herz nehmen, sie in Beziehung setzen zu dem, was ich erlebe. So tun sich mir nach und nach neue Perspektiven auf. So wachse ich im Glauben.

Bei Gott beheimatet können wir dieses Leben gestalten: als Einzelne, als Familien, als Gemeinde. Weil Gott der Grund unseres Lebens ist, können wir festen Halt haben. Weil Gott das Ziel ist, können wir den Zauber des Anfangens spüren und darauf vertrauen, dass am Ende Er stehen wird und dass deshalb alles zu einem guten Ende kommt.

Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch, hat uns diese Tür zum Leben geöffnet. Weil er an unserer Seite ist, muss uns Neues nicht erschrecken und Vertrautes nicht langweilen. Mitten im Alltag kann uns der Himmel aufgehen. So wünsche ich es uns, dass wir so durch das neue Jahr gehen können: Leicht und unbeschwert dann und wann, weil da einer mit uns ist, fröhlich, weil unser Grund zur Freude nicht nur von Erfolg abhängt, und behütet unter Gottes Schutz.

Amen.

Ihnen und Euch einen gesegneten Sonntag.

 

Quelle: https://www.youtube.com/embed/qGf6_9CjDDg

 

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