einwort

einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop. Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem war das Wort, und das Wort war bei Gott.

Des Priesters Eh(r)e

von Ev. Kirchengemeinde Bottrop

Bischof bei der Diakonenweihe: „Seid ihr bereit, zum Zeichen
eurer Hingabe an Christus den Herrn um des Himmelreiches
willen ehelos zu leben und für immer eurem Vorsatz treu zu
bleiben, in dieser Lebensform Gott und den Menschen zu dienen?“
„Ja, ich bin bereit.“ Die meisten. Viele. Manche.

In weißer Mantelalbe steht Reinhard Potts vor der Gemeinde. Er predigt. Holt schwungvoll aus. Spielt mit der Stimme, der Betonung, den Worten. Er reißt mit. Und nach der Messe küsst er seine Frau und ist Ehemann. Reinhard Potts kann das.

Er ist einer von 80 altkatholischen Priestern in Deutschland. Es klingt etwas entrückt, ein katholischer Priester und Ehemann. Potts war mal römisch-katholischer Priester – also ein ganz normaler Berufskatholik, bis ihm die weltliche Liebe begegnete. Aus Kirchensicht kam sie ihm dazwischen, aus seiner Sicht war sie absehbar. Dabei war er so kirchennah wie möglich. Bereits als Jugendlicher hielt er eine Predigt, von der sein Kaplan sagte: „Das war großes Kino, was du da gesagt hast. Das ist doch etwas, was du mal beruflich machen könntest.“ Ja, konnte er, und zugleich hat er bereits da gezögert, weil das Zölibat über dieser Aufgabe schwebte. Dieses Damoklesschwert war ihm also auch vor der Weihe sehr bewusst.

Die Konfrontation

Dennoch studierte er Theologie, weil er die Nähe, die Liebe und die Freude zu und mit Gott lebte und nur zu gerne weitergab. Es gab auch Frauen in seinem Leben und es gab Gefühle und das Wissen um die Aufgaben als zukünftiger Priester, die ihn standhaft hielten. „Das Thema Zölibat lief in meinen Studienjahren und auch später im Priesterberuf immer latent neben mir“, sagt er heute. Es gibt einige wenige belastbare Untersuchungen über die Einhaltung dieses Zölibats. Die eine erklärt, dass nur 10 bis 40 Prozent der katholischen Priester einzig und allein Gott und den Menschen dienen, die andere spricht davon, dass ein Drittel der Priester homosexuell lebe, das zweite Drittel heterosexuell und der Rest das Gelübde der Enthaltsamkeit aufrecht erhalte. Unumstößliche Zahlen gibt es nicht, weil die Sexualität von Priestern nicht erfasst werden kann – und auch gar nicht erfasst werden muss. Die zwingende Verpflichtung zur Enthaltsamkeit steht dieser Idee diametral gegenüber. Eine Konfrontation mit dem priesterlichen Ich, die auch Potts erfasste.

Das Geständnis

Er, der Kirchenmann, der heute in seinem Bottroper Büro vor einer beinahe zusammenbrechenden Bücherwand aus theologischen Schriften sitzt, der so allumfassend authentisch ist und für seine vielen Gemeinden alles tat und für die Wahlgemeinde bis heute tut. Er verliebte sich damals als katholischer Priester in eine Frau. Zwei Jahre lebte er eine heimliche Liebe. „Ich hatte Existenzangst, schließlich habe ich nur Theologie studiert. Aber ich dachte mir: Guter Gott, du hast mich bis hierher geführt, es wird schon irgendwie weitergehen.“ Also ging er zum Bischof, gestand und wurde exkommuniziert. Aus und vorbei. Er war raus. Immerhin gab es eine Frau und die Hoffnung auf ein Leben mit ihr, bis auch sie ihm die Liebe kurz darauf quittierte. Ein ziemlich derber Absturz aus hoher Höhe, und das Leben geht weiter. Er wurde Lkw-Fahrer und anschließend Coach bei einem privaten Bildungsträger. Zwei Jahre lebte er so und dann lernte er die altkatholische Kirche kennen.

„Das Thema Zölibat lief in
meinen Studienjahren und auch
später im Priesterberuf immer
latent neben mir."

Die Ehe

Viele Reformen, die in der römisch-katholischen Kirche bis heute heftig diskutiert werden, sind bei den Altkatholiken längst entschieden. Priester dürfen heiraten, Frauen empfangen die Priesterweihe. Die Altkatholiken gestalten ihre Liturgie nach traditionellem Ritus, aber ihre Theologie ist offen für die Anforderungen einer modernen Welt. Potts war davon angetan und trat aus der Kirche aus, die sein Leben so lange bestimmte. 30,– Euro kostete es ihn. Und noch weniger Überwindung. Kurz darauf trat er in die offenere Variante ein und lernte bald den altkatholischen Bischof genau in jenem Moment kennen, als in Bottrop (mit Münster) eine Stelle als altkatholischer Priester frei wurde. Er kam, sah und war wieder das, was er am allerliebsten war: Priester. Ganz nebenbei verliebte er sich und heiratete. Acht Jahre währte diese kinderlose Ehe als alt-katholischer Priester, bis auch sie zerbrach. Kurz darauf heiratete er erneut. Und jetzt endlich ist es gut.

Epilog

Kurz nachdem jene Frau, die der Auslöser für seinen Ausstieg aus der römisch-katholischen Kirche war, ihm die Liebe quittierte, klingelte das Telefon. Jener Bischof, mit dem er damals über seinen Zölibatsbruch sprach und der seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche instruierte, wollte mit ihm sprechen. Potts hätte keine unumstößlichen Fakten geschaffen, also sei noch nicht verheiratet und habe keine Kinder in die Welt gesetzt. Ob er nicht zurückkommen wolle? Woher der Herr Bischof das denn wisse? Man höre so dies und das ... Potts lehnte ab.

Heute hat er noch einen einzigen Kontakt zu einem römisch- katholischen Kollegen von damals. Es ist ein Leben in ständiger Orientierung: „Was sich aber immer bei mir durchgezogen hat, ist das Thema Kirche, Glaube, Gott. Egal was war, ich habe mich stets getragen gefühlt.“ Vier von 12 Teilnehmern aus Potts ehemaligem Weihekurs sind längst wieder aus dem Kirchenbetrieb ausgestiegen. 60 Prozent aller katholischen Theologiestudenten brechen ihr Studium ab. Im Februar 2020 erklärt Papst Franziskus, dass das Zölibat nicht abgeschafft wird.

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