einwort

einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop. Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem war das Wort, und das Wort war bei Gott.

Gutes Morgen

von Ev. Kirchengemeinde Bottrop

 

Es gehört zu den Menschheitsträumen, die Zukunft vorherzusehen.
Also gab und gibt es Seher, Visionäre, Autoren und Forscher, die
aus unterschiedlichsten Blickwinkeln leidenschaftlich in die
Zukunft blicken.

 

Als sich die Corona-Pandemie 2019 zögerlich das erste Mal in China zeigte, hätte wohl niemand auf der Welt eine derart anhaltende Pandemie prophezeit. Wenngleich – niemand stimmt nicht wirklich. Wissenschaftler fanden durch Erbgutanalysen heraus, dass SARS-CoV-2 bereits in den 1960er Jahren entstanden sein könnte und dann jahrzehntelang in Fledermäusen kursierte, bis es dann auf den ersten Menschen überging. Das Phänomen der Zoonose, also einer vom Tier auf den Menschen übertragenen Krankheit, ist uralt. Auch die mittelalterliche Pest war nichts anderes. Bloß tötete sie im 14. Jahrhundert rund 50. Millionen Menschen. Forscher warnen seit Jahrzehnten vor solchen Gefahren. Einer von ihnen ist der Zukunftsforscher Dr. Karlheinz Steinmüller, wissenschaftlicher Direktor der Z_Punkt Foresight Company – einem Unternehmen, das für Regierungsorganisationen wie für Unternehmen professionell in die Zukunft blickt. „Ich habe die Zoonosen bereits vor 25 Jahren in unseren Risikobewertungen für die Zukunft als wichtigen Punkt aufgeführt. Zoonosen treten durchschnittlich alle zehn Jahre auf. Wir hatten MERS, SARS, das Ebolafieber, Noroviren, die Vogelgrippe und viele mehr. Es war klar, dass da wieder etwas kommen wird – bloß wann, das wussten wir nicht.“

Steinmüller ist Physiker und Philosoph, er lehrt an der Freien Universität Berlin im Masterkurs Zukunftsforschung, veröffentlicht Wissenschaftsbeiträge und mit seiner Frau Science-Fiction-Bücher. Er ist jemand, der seit Jahrzehnten in die Zukunft sieht und dabei das Gestern und Heute im Blick behält. Anders geht es nicht. Mit der Trendextrapolation greifen Forscher wie Steinmüller heutige Trends auf und versuchen sie für die Zukunft fortzuschreiben. Techniktrends, soziale Trends, politische Trends – völlig egal. Eine Idee, die natürlich nur funktioniert, wenn sich die Bedingungen und das Umfeld für diese Trends nicht verändern. Oft tun sie das auch nicht. Manchmal aber doch. Daneben müssen sich Zukunftsforscher auf Expertenwissen stürzen, weil diese Experten in der Regel mehr als andere wissen und so erahnen können, was da kommen mag. Dieses Wissen müssen die Forscher dann nur noch vom Fachkauderwelsch in eine allgemeinverständliche Sprache übersetzen. Und nicht zuletzt nutzen Zukunftsforscher sogenannte Szenariotechniken, die tatsächlich zukünftige Szenen kurz und knackig in Form gießen. Interessanterweise stammt der Begriff von einem Hollywood-Drehbuchautor – damit wäre die Zukunftsforschung beinahe ein illegitimes Kind Hollywoods. Im Grunde handelt es sich beim Blick in die Kristallkugel oftmals um komplexe Ideen auf theoretischem Unterbau. Zukunfts-Forschung eben. Und damit die auch verstanden wird, kann ein bisschen Dramatik nicht schaden.

Tatsächlich leben wir heute in einer prognosegetriebenen Zeit. Wir malen düstere, aber realistische Zukunftsbilder, um menschliches Verhalten zu verändern. Das war nicht immer so. Historia magistra vitae – die Vergangenheit ist die Lehrmeisterin des Lebens. Jahrhunderte lebte man genau danach. Demgegenüber formulierte der amerikanische Futurologe Herman Kahn den drastischen Satz: Every fool can learn from the past, but we have to learn from the future. Man solle also Zukunftsentwürfe entwickeln, um aus diesen für das Hier und Jetzt zu lernen. Etwa um das Jahr 1800 wandte sich der Blick vom Historischen zum Futuristischen. Aufklärung, Industrialisierung und die Französische Revolution waren Motoren dieser Umkehr mit Weitsicht. Passend dazu veröffentlichte Louis-Sébastian Mercier 1771 den erste Utopienroman. Titel: „Das Jahr 2440: Ein Traum aller Träume“. Jahrzehntelang galt fortan das Jahr 2440 als jene Zielzeit, auf die man Zukunftsvisionen projizierte. Erst 1889 schrieb Edward Bellamy „Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 auf das Jahr 1887“. Mit diesem Zukunftsroman manifestierte sich das Jahr 2000 lange zum Synonym für die Zukunft. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Zukunftsvisionen abenteuerlich. Raumschiffähnliche Autos flogen durch zackige Hochhaussiedlungen, die Menschen pressten sich in formschöne Anzüge. Es gibt zahllose filmplakat-ähnliche Visualisierungen dieser Zukunft in Technicolor. Freilich, die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war, und das fliegende Auto alleine hat es über ein Versuchsstadium nie in die wirkliche Welt geschafft. Trotzdem waren es Zukunftsbilder, die entweder mit bestem Wissen oder dank einer blühenden Phantasie skizziert wurden. Oder beidem. Mit Zukunftsforschung hat das wenig zu tun. Die belastbare Forschung arbeitet mit multiprofessionellen Teams, in denen Ingenieure und Naturwissenschaftler, Betriebswirte, Sozialwissenschaftler und Philosophen im Mix mehr sehen und entwickeln. Automobilhersteller haben Zukunftsforscher im Team, Technologiezentren, Beratungsunternehmen nutzen die Expertise der Zukunftsforschungsinstitute. Auch das Büro für technische Abschätzung beim Deutschen Bundestag lässt Studien zur künstlichen Intelligenz machen. Zukunftsforschung ist dort, wo die Zukunft wichtig wird – überall.

„Wir gehen davon aus, dass die Zukunft noch nicht festgeschrieben ist, sondern dass die Zukunft offen ist. Sie ist nicht beliebig. In einem bestimmten Rahmen wird sie lediglich vorgegeben.“, sagt Steinmüller. Wer sich mit dem autonomen Fahren von morgen beschäftigt, muss die Infrastruktur vor Ort berücksichtigen, weil diese für Jahrzehnte mehr oder weniger existent ist. Die Zukunft wird durch heutige Begebenheiten eingeengt. Eigentlich könnten die Prognosen also einfach sein. Wären da nicht die gemeinen Wildcards. Ereignisse, die alles verändern und die nicht 100%ig planbar waren. 9/11. Trump. Brexit. Corona. Es gibt immer etwas, das die reibungslose Vision zunichtemacht, darum bauen die Zukunftsforscher in ihre Szenarien auch solche Wildcards ein. Sie erkennen Risiken und benennen sie. Ob diese Risiken wirklich bedacht werden, ist fraglich. Es gibt übrigens eine Wildcard, die in den Seminaren zur Zukunftsforschung immer wieder genannt wird, und die heißt: Jesus Christus. Christen erhoffen sich die Rückkehr des Herrn. In einem weltweiten Gesamtsystem würde sein Auftreten – einem globalen Megaereignis gleich – alles verändern und jedwedem Zukunftsplan wohl die Basis entziehen. Aber: Selbst praktizierende Christen denken in den Forschungsseminaren nicht an dieses Wunder. Den Glauben professionell in Zukunftsszenarien einzuordnen, scheint abwägig. Unmöglich ist es aber nicht. Forscher fänden auch hierfür eine Zahl, die nüchtern als Risikoabwägung definiert würde. Niemand hat gesagt, dass Zukunftsforschung besonders emotional sein muss. Hollywood liegt dafür direkt nebenan.

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